Wo ein Ziel ist, ist auch ein Weg

Buddenbrookhaus

„Startschuss für das Buddenbrookhaus“

Stellungnahme aus dem BIRL-Vorstand zum Stand des Projekte „Neues Buddenbrookhaus“

Titelbild: Büro TMH

In diesem Beitrag sei einmal der rote Faden in dem weitestgehend von der städtischen Öffentlichkeit abgeschotteten Fortgang des Projekts „Neues Buddenbrookhaus“ aufgenommen. Tatsächlich bewegten die Projektbetreiber sich einer Kette von internen Absprachen, die das Ziel hatten, einem schon vor über 20 Jahren existierenden Plan ohne Wenn und Aber zur Ausführung zu verhelfen, nämlich die Buddenbrooks-Stätte an der oberen Mengstraße als „kulturelles Alleinstellungsmerkmal“ auszubauen und „Lübeck voranzubringen“.

Schritt 1: Im März 2013 wurden Museologen und Literaturforscher nach Lübeck eingeladen, um von ihnen Neues über aktuelle Museumsprojekte erfahren. Vorgestellt wurden z. B. das Romantik-Museum in Frankfurt, die Verwandlung der Villa Wahnfried in Bayreuth von wilhelminischem Plüsch zu hehrer Klassik, das „Museum der Unschuld“ von Orhan Pamuk in Istanbul etc. Den Lübecker Veranstaltern wurde bestätigt, dass die kuratorischen Bemühungen in erster Linie den Erwartungshorizonten der „zahlenden Besucher“ zu gelten haben, erst dann den Exponaten. Manche Projekte hatten überhaupt nichts auszustellen und pflegten stattdessen eine Aura, sei es eines Ortes, einer Persönlichkeit oder einer Idee. Das passte auf „Buddenbrooks“. Der Tagungsleiter Prof. Wisskirchen wusste abschließend, man arbeite jetzt „weg vom Dinge-Museum hin zu einem Menschen-Museum“.

Schritt 2: Eine Machbarkeitsstudie bestätigte 2014 die Vorstellung der Projekt-Betreiber, dass hinter den (zu erhaltenden) Fassaden und Gewölbekeller von Mengstraße 4 und 6 alle zur Realisierung des Konzepts erforderlichen Abbruch- und Baumaßnahmen möglich sind. Die Studie hält auch an der Autodurchfahrt durch Mengstraße 6 in den Wehdehof fest. Dieses gebäudekundlich und stadtplanerisch „nicht wirklich“ seriöse Gutachten wurde zur unantastbaren Grundlage des Herangehens an die Bausubstanz.

Schritt 3. Mit den Maßgaben der Machbarkeitsstudie fand ein Architekten-Realisierungs-Wettbewerb statt, den 2018 das Lübecker Büro TMH für sich entschied. Das geforderte Raum-Volumen konnten die Planer nur deshalb unterbringen, weil auch der denkmalgeschützte Keller von Mengstraße 6 vollumfänglich in die Museumsplanung einbezogen wurde. Für den Einbau einer breiten Besuchertreppe sollte die Denkmalpflege den Ausbruch einiger gotischer Gewölbefelder im nordöstlichen Teil des Gewölbekellers hinnehmen. Was sie nicht tat. Seither war und ist diese Treppe der „Knackpunkt“.

Grafik: M. Scheftel / M. Finke
Zustand um 1985. Die geplante Treppe wird den hinteren (ältesten) Kellerbereich zerstören.

Gewölbekeller Mengstraße 4/6

Schritt 4. Das NEIN der Denkmalbehörde erzeugte eine auffallende Bemühung der Projektbetreiber, die Denkmalschützer zu einer passenden Auslegung der Paragrafen zu bewegen. Eine in mehreren Sitzungen im Herbst 2020 veranstaltete Moderation brachte nicht das erwünschte Ergebnis. Der in den Texten mehrfach zu findende Hinweis, dass der Keller nicht in der Kernzone der Welterbe-Nomination läge, sondern in der Pufferzone, wo die Schutzvorgaben wohl nicht so streng sind, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Projekt-befördernd gedacht wurde. Tatsächlich löste man sich damit von Pflichten, die Lübeck sich selbst auferlegt hatte. Der 2011 bürgerschaftlich gebilligte Managementplan für die „UNESCO-Welterbestätte ‘Lübecker Altstadt‘“ enthält auf Seite 20 den wichtigen Zusatz zum Status der nicht zur Kernzone gehörenden Altstadtquartiere: „Aus Sicht der Hansestadt Lübeck unterliegen auch diese Bereiche der gleichen Schutz- und Erhaltungspflicht im Sinne der Welterbe-Vorsorge“. Die sehr differenzierte Einschätzung zum Umgang mit Denkmalsubstanz vom ICOMOS-Beauftragten Paulowitz vereinfachte das Bürgermeisterbüro zum Statement, „eine Gefährdung des Welterbe-Status ist nicht gegeben“. Es lässt sich wohl kaum von der Hand weisen, dass Abbruch geschützter Bausubstanz im „Welterbe Altstadt“ den Gesamtbestand dieses Welterbes mindert. Das NEIN des Denkmalamts blieb also. Nachfolgend gingen zwei Jahre mit der Ausführungsplanung unter Beibehalt der Treppe ins Land. Die Idee, die Treppe hofseitig vor die Fassade zu stellen, wurde vermutlich deshalb verworfen, weil dies Umplanungen des Besucher-Rundgangs erfordert hätte. Rechte von Anliegern des oberen Wehdehofs wären nicht betroffen gewesen, weil es an vorgesehener Stelle keine Stellplätze gibt.

Schritt 5: Am 28.10. 22 gab Bürgermeister Lindenau die „benötigten“ Kellergewölbe zum Abbruch frei. Dazu betätigte sich als „Obere“ Denkmalschutzbehörde, um das NEIN seiner eigenen Fachbehörde übergehen zu können. Der Abwägungsprozess habe sich sehr lange hingezogen, heißt es. Tatsächlich war es ganz einfach: Wenn die Denkmal-Fachbehörde NEIN sagt, das Museumskonzept dagegen Ausbrüche von gotischen Kellergewölben für unverzichtbar hält, muss eine „übergeordnete“ Dienststelle logischerweise JA sagen, um das Projekt zu retten. Denkmalzerstörung liegt dann in „öffentlichem Interesse“. Die schon seit einiger Zeit in Gang befindlichen Reparatur-Arbeiten an den teils sehr beschädigten Gewölben beweisen, dass die Entscheidung des Bürgermeisters gegen das Votum seines Denkmalamts längst fest einkalkuliert war.

Festzustellen ist: Zu keiner Zeit, in keiner Planungsphase ist das seit über 20 Jahren fest stehende, inzwischen schon wieder „museale“  Raumkonzept in Frage gestellt worden. Alexander Matzka, damals Lübecker Welterbe-Beauftragter und Teilnehmer der Moderationssitzungen, schlug vor, das Buddenbrooks-Programm zu „modifizieren“, sprich: abzuspecken. Eine Nummer kleiner hätte die böse Kellerfrage erspart. In der Bewertung der Moderations-Beiträge durch das Bürgermeisterbüro wird dieser Vorschlag nicht einmal erwähnt.

Wohl wegen der heftigen Kritik der Fachöffentlichkeit an diesem Durchmarsch verfielen die Projekt-Betreiber auf die Idee, den Gewölbe-zerstörenden Treppen-Einbau als einen Gewinn für die Denkmalpflege darzustellen. In der Pressemitteilung des Bürgermeisters steht, es sei Ziel der UNESCO, die Zugänglichkeit von Kulturdenkmalen zu befördern, wie hier mit dieser in den Keller hinunterführenden Treppe. Hier liegt ein gravierendes Missverständnis vor. Ziel der UNESCO-„conventions“ ist allein und zuallererst die Erhaltung denkmalgeschützter Bausubstanz und das „begreifbar-Machen“ ihres Zeugniswerts durch pflegende Instandhaltung („mettre en valeur“). Und in der Presse-Mitteilung lesen wir weiter: Ohne Zugang per Buddenbrooks-Treppe könne der Gewölbekeller „weder saniert noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“ werden. Ein Blick ins Denkmalschutzgesetz bietet Hilfe: Jeder Denkmal-Eigentümer ist verpflichtet, im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Eigentum instand zu halten. Eigentümer der Anwesen Meng 4 und Meng 6 ist die Kulturstiftung in „Trägerschaft der Hansestadt Lübeck“. Das heißt: Die Kulturstiftung muss ihren Keller Mengstraße 6 gegebenenfalls auch ohne museale Nutzung instand setzen und erhalten.

Über den „Bestandsschutz“ der PKW-Durchfahrt durchs zukünftige Museumshaus Mengstraße 6 in den Blockbinnenhof werden Rechtfertigungen verlautbart, die nur vermuten lassen, dass zuständige Behörden die Füße stillgehalten haben: Wir lesen: „Es bedurfte der einstimmigen Zustimmung“ aller betroffenen Anlieger“ – und die sei nicht zu haben gewesen. Wie schon vor 20 Jahren: Der damalige Bausenator Franz Peter Boden musste 2005 ein neues (überdimensioniertes) Parkhaus durchsetzen – und dies war ohne Befragung/ Beteiligung auch nur eines einzigen Anliegers möglich. Ohne städtische Obliegenheiten gegenüber dem Parkhaus-Investor ist so ein Vorgang  nicht zu verstehen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten der Buddenbrook-Planungverzichtete die Stadt Lübeck erneut darauf, mit den Parkplatz-Pächtern und Durchfahrtsrechte-Inhabern in Ruhe vernünftige, alle Beteiligten zufrieden stellende Vereinbarungen zu erzielen. Weshalb? Hinzu kommt, dass die Buddenbrook-Immobilien seit 2020 (nach mehrjähriger Vorbereitung in der Verwaltung) im rechtskräftig ausgewiesenen „Sanierungsgebiet Altstadt“ liegen (das benachbarte Parkhaus leider nicht). Damit sind auch bodenrechtliche Maßnahmen durchsetzbar, Eingriffe, die der Gesetzgeber eigens zur Korrektur „städtebaulicher Missstände“ eingeführt hat. Weshalb wurde davon kein Gebrauch gemacht? Soll die Öffentlichkeit glauben, dass eine außenliegende, den Gewölbekeller verschonende Treppe deshalb nicht gebaut werden konnte, weil die juristische Gemengelage an Durchfahrtsrechten als unlösbar deklariert wurde?

Vielleicht ist es viel platter: Über die „schwarz“ gebauten oberen Parkdecks des Parkhauses läuft immer noch ein juristisches Verfahren (der Investor rührt sich seit Jahren nicht). Das „gentleman’s agreement“ könnte dann so aussehen:

Wenn ihr mir die Parkdecks oben sanktioniert, verzichte ich auf die mir von der Stadt vertraglich gesicherte Durchfahrts-Dienstbarkeit durch Mengstraße 6. Gibst du mir, geb‘ ich dir.
Das wäre kaufmännisch gedacht.

Foto: M. Finke

Bleibt abschließend noch das Argument des „Frequenzbringers. Der regionalwirtschaftliche Effekt liegt zwischen 95 und 119 Arbeitsplätzen in Abhängigkeit von der Besucher:innenzahl“, ist zu lesen. Das überzeugt immer. Es handelt sich um Wunschdenken pro Wachstum, Absatz und Umsatz. Gewiss ist Wirtschaftsförderung eine Aufgabe städtischer Politik. Also wird auch das „Mann-family“-Konzept mit vielen Millionen an Steuergeldern zu einem zentralen Faktor städtischer Standort-Politik aufgeblasen. Seit Jahren bläut uns die Kulturstiftung ein, dass ihre Buddenbrooks-Fixierung das „eigentliche“ Weltkulturerbe ist, das die Menschheit nach Lübeck in die Mengstraße strömen lässt. Daran glaube gern mit, wer mag. Verstöße gegen das Denkmalschutzgesetz sind in diesem Kontext dann kaum mehr als marginale Kollateralschäden und der Einsatz öffentlicher Gelder für Denkmalzerstörung erscheint den Projektanten gerechtfertigt, weil damit einem „kulturell höheren Ziel“ gedient wird.

Einladung zur Jahresversammlung 2021

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe BIRLer,

unserer Vereinssatzung zufolge ist binnen 2 Jahren eine Hauptversammlung einzuberufen. Nach Corona-bedingter Vertagung im letzten Jahr findet die Versammlung satzungsgemäß statt am:

  • Freitag, dem 12. November 2021
  • im „Haus Eden“, Königstraße 25 – im ehemaligen Kino-Saal im 1. OG
  • Beginn: 19:30 Uhr

Die Tagesordnung, sowie weitere Informationen und Termine finden Sie im

>>> aktuellen Rundbrief <<<

Die Stadt vergisst ihre Pflichten

Rathaushof

Denkmalschutz wird von vielen Menschen mitfühlend als schwere Bürde empfunden, besonders von jenen, denen ein Denkmal gehört und die laut Gesetz als „Verpflichtete“ dafür zu sorgen haben, dass es nicht in sich zusammenklappt. Dieses Verpflichtetsein lässt bei Denkmal-Eigentümern oft eine Seelenlage entstehen, die mit „Betroffen-Sein“ besser erfasst ist.

Denkmalschutz ist aber nicht als Strafe für die Eigentümer gedacht, sondern gilt dem Objekt, dem Haus, der Gang-Bude. Und solange der Eigentümer ein Privatmensch ist, sitzt ihm das Gesetz im Nacken. In schweren Fällen scheut die Behörde sogar nicht davor zurück, den „Verpflichteten“ per Abfassen und Versenden eines „Blauen Briefs“ dienstlich an seine Pflichten zu erinnern. Wenn der Eigentümer aber die Stadt selbst ist, was dann? Blaue Briefe verschicken, an wen?

Der Fall des vor sich hin rottenden Rathaus-Hofs gibt zu denken: Hier hat die Stadt den Denkmalschutz selbst beantragt und sich selbst „bewilligt“. Und zwar ausnahmsweise in weiser Voraussicht: Die Pläne um die Zukunft des leer stehenden Postgebäudes bzw. Grundstücks waren Anlass, ein paar rote Linien zu ziehen. Wie berechtigt das war, zeigte sich, als wenig später die Investoren der Düsseldorfer Comfort-AG, vertreten durch die Herren Ingenhoven und Kahlen, das P&C-Kaufhaus durchsetzten. Ihre Planung sah einen gestreckten Klotz an der Westseite des Markts bis zum Marienwerkhaus vor. Gern gab die Stadt dafür das sechsgeschossige Stadthaus samt Grundstück wegen angeblicher statischer Mängel aus der Hand.

Als der Marienkirchen-Vorstand signalisierte, dass man bereit sei, sein ehrwürdiges Gemeindezentrum zu verkaufen, um einer großzügigen, zukunftsträchtigen Neubebauung nicht im Wege zu stehen, war auch die angrenzende Rathaus-Erweiterung der Nachkriegsjahre mit dem Innenhof tangiert.

Nördliche Wallhalbinsel

Hafen

Das kombinierte Verfahren zur städtebaulichen Gestaltung des Eingangsbereichs und zum Umgang mit den Freiflächen auf der Nördlichen Wallhalbinsel brachte zwei Ergebnisse — eine Erkenntnis und ein daraus abgeleitetes Gestaltungsprinzip: In Deutschlands wohl ältestem Hafenbahnhof der Industrialisierungszeit ist der historische Gleisfächer das bestimmende Element für Form und Gestalt von Gebäuden und Freiflächen — und er wird es bleiben.

Detaillierte Informationen zum kombinierten Gutachterverfahren finden Sie in den

>>> Bürgernachrichten BN 120 auf Seite 6

Eine Zeitschrift ist keine Zeitung

Die vielen vergangenen Jahre, in denen wir uns mit manchmal vier, zumin-
dest aber mit drei Bürgernachrichten-Ausgaben pro Jahr an unsere Mitglieder
und an die interessierte Öffentlichkeit wandten, sind unvergessen: Schön
war’s! Das Blatt war dünn, hatte bestenfalls zwölf Seiten, und es war kosten-
günstig gemacht. Es war eine Zeitung, in der Aktuelles zum Baugeschehen in
der Altstadt zu lesen war. Dieses Blatt war als kritisches Forum gedacht.
Niemand musste das lesen. Viele Lübecker taten es dennoch und freuten sich,
wenn die BN mal wieder da waren. Andere freuten sich überhaupt nicht. Das
war die Fraktion „Papierkorb“. Dagegen steht die Fraktion der „Sammler“:
Vollständige BN-Ausgaben von 1 bis 120 sind gesuchte Collectors’ Items.

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